Der Bergen Fischmarkt anno 2015

Beitrag vom Sonntag, 13. September 2015

Auf dem Bergener Fischmarkt

… im 19. Jahrhundert.

Im Buch Hellemyrsfolket (Die Leute vom Felsenmoor) der Bergener Autorin Amalie Skram (1846-1905) ist viel über das Leben in Bergen des 19. Jahrhunderts und das geschäftige Treiben auf dem Fischmarkt zu lesen. Nachfolgende kleine Geschichte handelt jedoch nicht nur vom Fischmarkt. Sie gibt einen Einblick in die aufkommende Emanzipation und in Dickköpfigkeit und Beharrlichkeit gleichermaßen. Thematisiert wird auch die Bedeutung der in Norwegen stark ausgeprägten regionalen Verbundenheit. Denn, wenn man nicht aus Strilen, einer Küstenregion nördlich von Bergen, kommt, und somit kein Striler ist, dann muss man sich auch nicht angesprochen fühlen:

„Was willst du denn für deinen Pollack haben, du Striler dort im Boot?“ Sjur Gabriel sah hoch und sah ein Dienstmädchen mit Tuch um den Kopf und Korb im Arm. Sie stand dort, an das Brückengeländer gelehnt und betrachtete die Fische. Ohne eine Miene zu verziehen lies Sjur Gabriel den Blick wieder sinken. „Antwortest du nicht du Striler Grobian! Was willst du für deinen Pollack haben? Du da, hörst du? Bist du Taubstumm du Striler Quatschkopf!“ Sjur Gabriel würdigte sie mit keinem Wort. Das Mädchen nahm ihren neu erworbenen Reisigbesen aus ihrem Korb, lehnte sich über die Kante der Absperrung, soweit, dass sie auf dieser nahezu waagerecht balancierte und schlug Sjur Gabriel mit der Spitze ihres Reisigbesens auf den Südwester und schrie: ”Bist du eingeschlafen oder hast du einen Bleihut auf? Was willst du für deinen Pollack haben, du Striler Dickkopf? Entweder antwortest du, oder ich hetz dir die Polizei auf den Hals!“ ”Selber Striler, du Stadt-Faulenzer.” antwortete eine scharfe, gellende Stimme, und ein Junge mit Mütze, grauer Lodenjacke mit Zinnknöpfen und einem Milchkrug in der Hand sprang von der Treppe ins Boot. „Wir sind keine Striler,“ blaffte er herausfordernd und griff nach dem Reisigbesen, „wir sind von weiter nördlich her, aus Hedlå.“ „Was willst du für den Pollack haben, du, der du nördlich von Hellen herkommst?” setzte sie fort. „Zehn Schilling das Stück.“ gab Sjur Gabriel von sich. „Bist du verrückt, du Stri … – nein, was ich sagen wollte: Mann? Das kannst du ja wohl nicht ernst meinen! Weißt du was? Ich gebe dir zwei.“ Sjur Gabriel sagte nichts. „Drei vielleicht?“ Keine Antwort. ”Wie? Willst du mehr als drei haben? Schämst du dich nicht? So ein Kleinzeug. Der eine ist ja nicht größer als eine Zunge.” Sie wartete etwas. „Nun mal im Ernst, Stri… – äh du da nördlich von Hellen her. Für diese zwei lästigen Pollacke gibt dir doch niemand mehr. Die Leute sind doch nicht blöd.“ ”Das eine ist ein Dorsch.” bemerkte Sjur Gabriel bedächtig. „Da ist der Preis doch noch unverschämter – für solche wabbeligen Minidorsche! Aber hör her, ich geb` dir sieben Schilling für das Ganze, eine Hand wäscht die andere. Ich hab keine Zeit hier herumzustehen und länger zu streiten.“ „Du musst schon acht zahlen!“ „Ahhh, nein. Das mach ich nicht. Was bildest du dir ein. Sieben, und kein bisschen mehr!“ „Dann kannst`se nicht haben!” „Nun hör aber auf!“ rief sie zornig. „Ich sag dir, da kannst du ewig warten, bis dir jemand diesen halsabschneiderischen Preis für diesen miesen Lumpenfisch bezahlt.“ Sie griff nach dem Korb und entnahm ihm ein Stück graues Kartonpapier, das sie öffnete und das einige schmutzige, grüne Kupfermünzen enthielt. Sjur Gabriel band ruhig und bedächtig die Fische mit einem Stück Weide zusammen und formte am Ende eine Schlaufe. So stand er auf, stellte sich auf die Ruderbank und streckte seine Hand nach dem Geld aus. Das Mädchen zählte mit lauter Stimme die Schillinge Stück für Stück in seine Hand. Erst da übergab ihr Sjur Gabriel den Fisch. „Du Strilenschwanz!“ rief sie spottend zum Abschied. „Denn ein Striler bist du und ein Striler bleibst du jetzt!“ Sie stieß ein schallendes Gelächter aus und eilte von dannen.

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