Norwegische Märchen

Beitrag vom Freitag, 14. Dezember 2018

Norwegische Märchen

Askeladden, der mit dem Troll um die Wette aß

Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne. Es ging ihm aber nur dürftig, und er war schon alt und schwach, und die Söhne wollten nicht recht an die Arbeit. Zu dem Gehöft gehörte ein großer schöner Wald, und in dem – wollte der Vater – sollten die Burschen Holz hauen, damit sie etwas von der Schuld abbezahlten.
Endlich brachte er sie denn auch auf Trab, und der älteste Sohn sollte zuerst ins Holz. Als er nun in den Wald gekommen war und anfing, eine alte borkige Tanne umzuhauen, trat plötzlich ein ungeheurer Troll auf ihn zu. „Wenn du in meinem Wald haust, so töte ich dich“, sagte der Troll. Als der Bursche das hörte, warf er die Axt weg und lief, was er nur konnte, wieder nach Hause. Er kam ganz atemlos an und erzählte, was ihm begegnet war. Aber der Vater sagte, er wäre ein Hasenherz; die Trolle hätten ihn niemals am Hauen gehindert, als er noch jung gewesen, meinte er.
Den nächsten Tag sollte der zweite Sohn in den Wald. Aber dem ging’s justament ebenso. Als er ein paar Hiebe getan hatte, trat der Troll auf ihn zu und sprach: „Wenn du in meinem Wald haust, so töte ich dich.“ Der Bursche wagte kaum, ihn anzusehen, warf die Axt weg und machte sich auf die Beine, ebenso wie der Bruder. Als er nach Hause kam, meinte der Vater wieder, da er noch jung gewesen, hätten die Trolle ihn niemals gehindert.
Den dritten Tag wollte Askeladden sich aufmachen. „Ja, du!“ sagten die beiden ältesten. „Du sollst wohl was ausrichten, der du nie hinter dem Ofen hervorgekommen bist.“ Askeladden antwortete nichts, sondern bat nur um einen guten Sack voll Lebensmittel. Die Mutter hatte kein Fleisch und hängte daher den Kessel übers Feuer, um etwas Gemüse für ihn zu kochen. Das tat er in seinen Schnappsack, und damit machte er sich auf.
Als er in den Wald gekommen war und eine Zeitlang gehauen hatte, kam ebenfalls der Troll auf ihn zu und sprach: „Wenn du in meinem Wald haust, so töte ich dich!“ Der Bursch aber, nicht faul, nahm sogleich einen Käse aus seinem Schnappsack und drückte ihn, dass der Saft herausspritzte. „Hältst du nicht gleich dein großes Maul“, sagte er zu dem Troll, „so werde ich dich drücken, wie ich das Wasser aus diesem Stein drücke.“ – „Nein, Freund, verschone mich!“ sagte der Troll. „Ich will dir auch hauen helfen.“ Ja, wenn’s so gemeint sei, wollte ihm denn der Bursch auch nichts tun; und der Troll haute darauf brav zu, so dass sie an dem Tage viele Klafter umhauten. Gegen Abend sagte der Troll: „Nun kannst du mit mir nach meiner Wohnung kommen; denn das ist näher als nach deinem Hause.“ Ja, dem Burschen war das recht.
Als sie nun in dem Hause des Trolls ankamen, wollte der Feuer auf dem Herd anmachen, und der Bursch sollte Wasser zum Grützkessel holen. Aber da standen zwei eiserne Zuber, so groß und so schwer, dass der Bursch sie nicht einmal von der Stelle bewegen konnte. Er sagte aber: „Es ist nichts wert, mit diesen kleinen Bütten zu plirren; ich will lieber hingehen und den ganzen Brunnen holen.“ – „Nein, Freund“, sagte der Troll, „ich kann meinen Brunnen nicht entbehren. Mach du lieber Feuer an, dann will ich hingehen und Wasser holen.“ Als der Troll mit dem Wasser zurückkam, kochten sie einen tüchtigen Kessel voll Grütze. „Willst du wie ich“, sagte der Bursch, „so wollen wir um die Wette essen.“ – „Ja, lass uns das!“ sagte der Troll, denn er dachte, hierin würde er es wohl mit dem Burschen aufnehmen können.
Als sie sich aber zu Tische setzten, nahm der Bursch seinen Schnappsack und band ihn sich, ohne dass der Troll es bemerkte, vorn um den Leib, und nun schüttete er mehr in den Schnappsack, als er aufaß. Als der Sack voll war, zog er sein Taschenmesser hervor und machte einen Schlitz in seinen Bauch, es war aber der Schnappsack, in den er schnitt. Der Troll sah ihn an, aber sagte nichts.
Als sie eine gute Zeit gegessen hatten, legte der Troll den Löffel nieder. „Nein, nun kann ich nicht mehr!“ sagte er. „Du musst essen“, sagte der Bursch. „Ich bin noch nicht einmal halb satt. Mach es wie ich und schneide ein Loch in deinen Bauch, dann kannst du soviel essen, wie du willst.“ – „Ja, aber das tut so gewaltig weh“, sagte der Troll. „Oh, es ist nicht der Rede wert“, versetzte der Bursch. Da nahm der Troll sein Messer und schnitt sich ein großes Loch in den Bauch, und als er das getan hatte, fiel er tot zur Erde nieder.
Der Bursch aber nahm nun all das Gold und Silber, das er im Berge fand, und damit ging er nach Hause. Und nun konnten sie wohl etwas von der Schuld abzahlen.

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